Quatsch-News und Halb-News
Wenn eine News keine Neuigkeit enthält, ist sie dann noch eine News? Und was soll das eigentlich mit GIGA?
Liebe Leserinnen und Leser,
die erste Ausgabe widmet sich unter anderem meinem Lieblingsthema: Leaks. Und weil Leaks die Spielepresse in den vergangenen Jahren gehörig umgekrempelt haben, im Sinne von: jeder Clown stellt sie ins Netz und wird als Heilsbringer für Klicks gefeiert, kann beinahe täglich ein neuer, natürlich nur vermeintlicher Leak gefunden werden.
Ebenfalls Thema: Ein spaltender GIGA-Redakteur, eine sagenhafte Nicht-News und eine Preview über ein Spiel, das gänzlich unbekannt ist.
Viel Spaß beim Lesen!
GTA 6 kommt - bald!
“GTA 6: Neue Gerüchte mit vielen Details und einem angeblichen Release im Jahr 2023” - Quelle
Das schrieb PC Games am 5. Februar 2021. Drei Jahre zuvor schrieb PC Games über eine Veröffentlichung von “GTA 6” im Jahr 2019. Und 2019 hieß es dann, das Spiel erscheine bald.
36 News hat PC Games bereits über “GTA 6” geschrieben, obwohl nichts über das Spiel bekannt ist. Zumindest nicht offiziell. Inoffiziell sieht es ganz anders aus. Vermeintliche Insider, die hier und da die heftigsten Theorien zu einem Potpourri der Gerüchte formen, werden von unzähligen Journalist*innen als glaubhaft eingestuft.
Wie im aktuellen Fall: Als Quelle für die Gerüchte gibt PC Games die Seite 4chan an. Zunächst ist 4chan nur selten der Ort für glaubwürdige Leaks, zumal PC Games schreibt:
“Der entsprechende Beitrag wurde zwar wieder offline genommen […]”
Obwohl auch Leaks, die sich als wahr herausstellten, zuvor offline genommen wurden, müsste hier dennoch ein Alarmglöckchen dingdongen. Ebenso unglaubwürdig: Das fehlen jeglicher Infos zum vermeintlichen Leaker. Sobald eine Person in der Vergangenheit einen Leak veröffentlichte, der sich bewahrheitete, könnten danach kommende Leaks durchaus realistischer sein. Im aktuellen Fall nennt PC Games jedoch überhaupt keine Details.
Ist der Leaker bekannt? Ist das sein erster Leak? Wenn man derlei Gerüchte veröffentlichen möchte, muss als journalistisches Magazin eine erste Einordnung vorgenommen werden. Die Einschätzung der Glaubwürdigkeit der Personen dahinter wäre ein Anfang. PC Games jedoch schweigt.
Ein Fehler. Letztlich führt das nur dazu, dass zufällige 4chan-User sich noch mehr gefälschte Leaks ausdenken, angespornt von der zügellosen Berichterstattung, die selbst offensichtlichen Fälschungen nichts entgegensetzt, wie etwa im Fall von GamePro.
Über “GTA 6” habe ich bereits fast alle verfügbaren Gerüchte und Leaks gesammelt und eines festgestellt: Glaubt nichts und wartet ab.
Nicht-News zu Star Wars
Am 10. Februar veröffentlichte GameStar folgende News:
“Ubisofts Star Wars: Entwickler sprechen über Release, aber freut euch nicht zu früh” - Quelle
Die Headline suggeriert eine eher negative Nachricht, da der Release des neuen “Star Wars-”Spiels offenbar ungefähr mitgeteilt wurde, aber noch weit in der Zukunft liegt. Doch das ist nicht der Fall.
Der Ubisoft-Chef wird im Text mit folgenden Worten zitiert:
“Wir haben keine konkreten Termine genannt. Das Spiel befindet sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium, daher müssen wir noch etwas abwarten, bevor wir mehr über den Zeitplan sagen können.”
Tja. Und nun? Schlauer ist man nicht. Weil der Ubisoft-Chef nichts Neues verraten hat. Er hat den Release-Zeitraum nicht eingegrenzt, kein ungefähres Datum genannt oder den Release-Plan mit anderen Spielen vergleichen. Er sagt ganz klar: Es gibt keine News.
Ja, das Spiel befinde sich in einem frühen Stadium, heißt es, doch das gibt nur bedingt Hinweise zur Veröffentlichung des Spiels; vielleicht erscheint das Spiel bereits Mitte 2022 als fortlaufendes Service-Game, eventuell wird es ein “kleineres” Spiel wie “Star Wars Squadrons”.
Wie auch immer man es dreht und wendet: Die News verrät, dass Ubisoft noch nichts verraten hat. Kann man so machen, aber dann musste dir Kritik gefallen lassen. Oder um ein Community-Mitglied der GameStar zu zitieren:
“GameStar News: Redakteur schreibt über irgendwas, aber freut euch nicht zu früh!”
Das ZDF ist Schuld
GIGA, das altbekannte, furchtbar seriöse GIGA berichtet über den Rundfunkbeitrag.
Warum?
Darum. Ganz einfach. Muss man nicht erklären, weil das ja klar ist. Offenbar als logische Konsequenz brabbelt ein GIGA-Redakteur über Journalist*innen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks folgendes:
“Dieses Land verwandelt sich nicht in ein Orbán-Ungarn, wenn ARD und ZDF einfach mit dem auskommen müssen, was sie haben. Im Gegenteil sollten sich die Öffentlich-Rechtlichen mal fragen, ob sie nicht mitverantwortlich für Spaltung und Demokratieverdruss sind, indem sie in gesellschaftlichen Streitfragen sehr einseitig berichten. Das Meinungsspektrum in Deutschland ist eben breiter als die Gespräche, die an der Kasse im veganen Bio-Laden geführt werden.”
Von einer Recherche in Facebook- und Telegram-Gruppen mit Patrioten-Ausrufezeichen im Titel habe ich abgesehen, aber ich bin mir sehr sicher, dass obiges Zitat in ähnlicher Formulierung bereits dutzendfach veröffentlicht wurde.
Aber ach, das stammt halt nur von einem GIGA-Redakteur, der nicht nur Quatsch über ARD, ZDF und Co verbreitet, sondern gleich von Spaltung und Demokratieverdruss labert. Hier geht’s nicht mehr um eine windige Clickbait-Überschrift, die höchstens für genervte Reaktionen sorgt, nein, hier wirft eine GIGA-Kolumne unzähligen Journalist*innen vor, die Demokratie zu beschädigen - und liefert nicht mal “Beweise” dafür.
Argumente lässt der Redakteur aus. Keinen einzigen Grund nennt er, warum denn nun die Demokratie flöten geht, wenn ein ARD-Journalist dieses oder jenes tut. Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist gut und wichtig, gerade weil beinahe jede*r den Beitrag zahlen muss, ob er/sie will oder nicht. Die von GIGA veröffentlichten Kolumnen haben mit konstruktiver Kritik allerdings nichts zu tun. Es ist schlicht Bullshit.
In einem Artikel habe ich das Ganze genauer aufgedröselt:
Tausend Infos über null Inhalt
Über das neu angekündigte Spiel “Total War: Warhammer 3” ist so gut wie nichts bekannt. Publisher und Studio haben einen CGI-Trailer veröffentlicht, also ein Cinematic-Trailer, der nichts von Grafik oder Gameplay zeigt. Derlei Trailer dienen zur Einstimmung, fördern Atmosphäre, führen in die Geschichte ein und bieten kleinere Einblicke ins Wordbuilding des Spiels.
Wie spricht die Spielepresse über so wenig Inhalt? So:
“Total War: Warhammer 3 begeistert Maurice schon mit dem ersten Trailer […]” - Quelle
Da veröffentlicht GameStar also tatsächlich ein beinahe 26-minütiges (!) Video, das den dreiminütigen (!) Cinematic-Trailer, ähm, “analysiert”. Sowohl das Video als auch die dazu passende Pressemitteilung liefern - wenn überhaupt - nur vage erste Infos. Für eine etwaige Berichterstattung ist das natürlich kein Problem.
So heißt es in der Videobeschreibung:
“Maurice dürstet schon lange nach ersten Infos zu Total War: Warhammer 3 - und jetzt sind sie endlich da! Mehr noch, sie sind ganz exakt, worauf er für das Spiel gehofft hat: Mehr Chaos als je zuvor und obendrein sogar das ferne Cathay, mit dem er Maurice eigentlich gar nicht ernsthaft gerechnet hat.”
Ein GameStar-Journalist, der sich selbst so bezeichnet und in einer Redaktion arbeitet, die seriös über Videospiele berichten will, “dürstet” also nach ersten Infos, und als diese ersten Infos tatsächlich kommen und genau das sind: erste, grobe Informationen, geht jede Distanz verloren. Im Video zitiert der GameStar-Redakteur aus einer Pressemitteilung, es gebe vier spielbare Völker - und das finde er dann echt Hammer, heißt es.
Wie sich die Völker spielen, weiß der Redakteur natürlich nicht. Um genau zu sein weiß der Redakteur gar nichts, was über Informationen, die der Hersteller herausgegeben hat, hinaus geht; na klar kann die GameStar solche Details verbreiten und veröffentlichen, aber eine vermeintliche Analyse, selbst von einem absoluten Warhammer-Experten, kann nix über Gameplay, Grafik, Völker oder Spielwelt sagen, solange er das Spiel nicht auch, naja, gespielt hat.
Er kann Theorien entwickeln, fachsimpeln, kommentieren, doch all das steht auf wackeligen Beinen, wenn die Grundlage dafür ein dreiminütiger Trailer ist. Zumal GameStar direkt den Hypetrain fährt, wie die zweite Version der YouTube-Headline zeigt:
“Total War: Warhammer 3 macht die wildesten Fan-Träume wahr”
Crazy, komplett. Da steht nicht: klingt ganz gut, das Game, würd’ auch nicht gut klicken, ich weiß, aber über ein Spiel, zu dem buchstäblich nichts bekannt ist, in so einem übertrieben positiven Ton zu schreiben, ist wild.
Dass “Total War: Warhammer 3” gut wird, dürfte wahrscheinlich sein - könnten Fans zumindest behaupten. Am Grundgerüst des Spiels wird sich wohl wenig ändern, und ein Warhammer-Kenner kann - vielleicht, eventuell, mit ganz viel Fantasie - auch Gameplay-Mechaniken aus einem Story-Trailer ableiten.
Ein GameStar-Journalist ist aber genau das nicht: ein Fan. Zumindest nicht in erster Linie.
“Total War: Warhammer 3” kann spielmechanisch das beste Spiel der Reihe werden, einfach weil das Studio dahinter für exzellente Titel bekannt ist. Doch selten wird in der Vorabberichterstattung die Technik eines Spiels thematisiert, weil - logisch - nix darüber bekannt ist. Selbst im blumigsten Szenario, etwa so: “Total War: Warhammer 3” ballert übelst im Spielspaßzentrum, selbst dann kann es mit Bugs oder schwacher Performance auf den Markt kommen.
“Cyberpunk 2077” lässt grüßen. Erstaunlich, wie wenig Redaktionen daraus lernen wollen; mögliche technische Probleme haben in der Vorabberichterstattung nämlich kaum eine Rolle gespielt, sie wurden stets im Nebensatz abgefrühstückt. Und dann erscheint “Cyberpunk 2077” tatsächlich in einer Art und Weise, die angeblich niemand hat kommen sehen, obwohl es genug Hinweise gab.
Verkauft sich Hype besser? Würde ein Analyse-Video weniger gut klicken, wenn es statt 26 nur 8 Minuten dauert und im Schnelldurchlauf ein paar vermeintlich interessante Details liefert und dabei mit einem dickem Disclaimer endet, dass das theoretisch beste Spiel der Welt durch ein Bug-Fest zerstört werden kann?
Keine Ahnung. Eventuell? Bestimmt. Ein gut gemeinter Rat lässt sich hier aber geben: Wenn jemand, der als Journalist arbeitet, nach Informationen zu seiner liebsten Spielereihe “dürstet” - vielleicht setzt man genau ihn dann nicht an das Thema.
Aber was weiß ich schon, ich bin nur der Typ, der seine Seite “Medienbiene” genannt hat.